Das Wertversprechen agiler Arbeitsweisen 

Es mag etwas merkwürdig erscheinen, sich jetzt die Frage zu stellen, warum sich so viele Unternehmen mit Agilität beschäftigen. Heute macht man das halt. Die Mitarbeiter wollen agil arbeiten, die Kunden erhalten dadurch bessere Produkte, das Management ziert sich vielleicht noch etwas, aber mit den einschlägigen Skalierungsansätzen können wir sie auch noch überzeugen. Und welches Unternehmen möchte nicht so cool und modern sein wie Spotify? 

Die Realität ist etwas komplizierter. Zunächst muss das „Warum?“ geklärt werden. Agiles Arbeiten ist kein Selbstzweck und wird nicht unmittelbar einen positiven Effekt auf die Zielerreichung besitzen. Personen und Organisationen müssen sich erst an die Veränderung gewöhnen und die Produktivität wird zunächst sinken. Trotzdem lohnt es sich, sich genauer damit zu beschäftigen, welche Verbesserungen durch agile Arbeitsweisen erreicht werden können. 

Warum agiles Arbeiten sinnvoll ist 

Die Veränderungen in der Umwelt gewachsener Unternehmen sind ausreichend oft beschrieben worden. Neue Wettbewerber, neue Produkte und Produktkategorien tauchen auf. Neue Wertschöpfungsmodelle werden durch innovative Technologien möglich. Dieser Veränderungsdruck wird problematisch, weil viele Unternehmen bzw. Führungskräfte nicht in der Lage sind, angemessen zu reagieren. Zu langsam, zu schwerfällig, zu weit weg vom Kunden. 

Bei genauerem Hinsehen werden folgende Defizite transparent: 

  • Zu langsame Time-to-market: Entscheidungsprozesse sind zu langwierig. Bereitstellung von Kapazitäten zur Umsetzung neuer Ideen ist schwierig, da diese an bestehende Themen und Pflege/Wartung gebunden sind. Durch den Fachkräftemangel ist die Erweiterung von Expertise, Erfahrung und Kapazität teuer oder sehr mühsam. 
  • Technologisch zu schwerfällig: Die (gewachsene) IT-Anwendungsarchitektur lässt keine schnelle Ergänzung zu. Viele Dinge sind individuell implementiert und nicht über standardisierte Schnittstellen ansprechbar. Funktionalitäten sind mehrfach implementiert und müssen dementsprechend mehrfach angepasst bzw. angebunden werden. 
  • Investitionsstau: Notwendige „Renovierungen“, die die IT-Anwendungsarchitektur zukunftsfähiger gemacht hätten, aber keinen klaren Business-Nutzen nachweisen konnten, wurden nicht umgesetzt. 
  • Delivery zu unflexibel: Kopfmonopole und enge Skillprofile machen es schwierig, Umsetzungskapazitäten für neue Themen zu finden. Um ein Feature für den Kunden umsetzen zu können, müssen viele interne Abhängigkeiten aufgelöst werden. Der Kundenfokus geht zu Gunsten interner Stakeholder verloren. 

Zusammenfassend bedeutet dies: Die Situation in Unternehmen entwickelt sich oft genau in die entgegengesetzte Richtung zur Beschleunigung am Markt. Interne Abläufe werden komplizierter, die Anzahl von Kontrollen wird erhöht und Entscheidungswege werden länger. Die Vielfalt der IT-Systeme, Werkzeuge und Infrastrukturen nimmt zu, da die Alten oft nicht vollständig abgelöst wurden.  

Agilität ist nicht das Allheilmittel: Nicht alles kann und muss agil werden.

Diskutieren Sie mit einem Experten Ihre Herausforderungen und finden Sie heraus, ob Ihnen agiles Arbeiten hilft, Ihre Herausforderungen zu meistern.

    Scrum und SAFe als Lösung?

    Deshalb greifen viele Unternehmen in dieser Situation auf Frameworks zurück, in der Hoffnung, dass diese direkt umsetzbare Lösungen bieten. Jedoch helfen diese nur begrenzt:

    Die klassischen agilen Frameworks, wie Scrum, konzentrieren sich auf ein einzelnes Produkt und das dazugehörige Produktteam. Die Umwelt wird nicht adressiert. Auch Themen, die nicht integraler Bestandteil der Produktentwicklung sind, wie Mitarbeiterführung und Budgetplanung, werden nicht abgedeckt. Dies ist keine Schwäche der Frameworks, denn es ist bewusst nicht das Ziel diese Fragen zu beantworten.

    Skalierungsframeworks wie LeSS oder SAFe adressieren in Teilen Themen, wie die Budgetplanung, und lassen Aspekte der Umwelt nicht gänzlich außer Acht. Trotzdem beschäftigen sie sich damit, wie die gemeinsame Arbeit von mehreren Teams an einem Produkt gestaltet werden kann. Auf die Frage, wie das Wertversprechen der Agilität für ein gesamtes Unternehmen realisiert werden kann, haben auch diese Frameworks keine Antwort (auch wenn die jeweiligen Vertreter eventuell andere Sichtweisen vertreten).

    Um es ganz klarzustellen: Diese Frameworks sind sinnvoll und gut, müssen allerdings in den richtigen Rahmen eingebettet werden, um ihr Potential entfalten zu können.

    Fazit

    Agiles Arbeiten kann helfen Herausforderungen zu meistern und Ziele zu erreichen. Dazu genügt es nicht, etablierte Frameworks einzuführen und Agilität zu verordnen. Vielmehr müssen geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit agiles Arbeiten sein volles Potenzial entfalten kann.

    Erfahren Sie in unserem Training „Agile – The Big Picture“, wann agiles Arbeiten sinnvoll ist, welches Framework sich wann eignet und welche Voraussetzungen nötig sind.